Schicksal Mukoviszidose

Es ist noch gar nicht lange her: Da hatte die Medizin kaum Hoffnung, dass ein Kind mit Mukoviszidose älter als 20 Jahre werden könnte. Geboren mit der genetischen Veränderung, die den Schleim im Verdauungssystem und in der Lunge in eine gummiartige Paste verwandelt, vereitelt diese Krankheit sowohl die Nährstoff- als auch die Sauerstoffaufnahme. "Doch seitdem", sagt Prof. Dr. Philippe Stock, Leiter der Pneumologie und Allergologie am Kinderkrankenhaus Altona, "gibt es kontinuierliche, entscheidende Entwicklungen."

Es sind ganz bestimmte Punkte, die die Entwicklung der Erkrankung stark prägen. Sie zu kennen, heißt den Verlauf aktiv zu beeinflussen und Lebensjahre zu gewinnen.

"Das Hauptproblem ist nach wie vor: Wir können die Erkrankung nicht heilen. Sie betrifft Kinder von Geburt an. Aber es hat sich viel getan in den letzten Jahren."

Was, zählt der Experte der Reihe nach auf:

  • Wir wissen heute, wie gefährlich die Pseudomonas-Keime, die  bei dieser Erkrankung hauptsächlich die Lunge überschwemmen, tatsächlich sind und wie  wir sie behandeln können.
  • Das große Ziel ist, die Besiedlung in der Lunge herauszuzögern. Irgendwann bekommt jeder mit Mukoviszidose eine solche Besiedlung, weil die Lunge voll ist mit Schleim ist und dort fühlen sich diese Pseudomonas besonders wohl – da kommt man mit den Antibiotika unter Umständen gar nicht hin.
  • Deshalb muss man den Keim sehr schnell sehr hart bekämpfen – nicht ein bisschen warten, sondern ihn loswerdem, bevor er sich in jeder Nische der Lunge festgesetzt hat.
  • Wir haben heute Antibiotika, die man inhalieren kann, um genau noch mal von der anderen Seite das Lungengebiet zu erreichen.
  • Das Thema Inhalation hat sich stark entwickelt. Die Substanzen machen den zähen Schleim, der wie Gummi ist, flüssiger, sodass Patienten ihn besser abhusten können.
  • Was sich auch entwickelt hat, ist unser Verständnis der Ernährung und des Gewichtsverlaufes, wie wichtig es ist, auf ausreichende Kalorien zu achten. Wir haben den schlechten Ernährungszustand früher immer abgetan als 'ist halt so'. Das hat sich geändert.
  • Wir geben diesen Kindern Verdauungsenzyme, damit die Nahrungsmittel auch verwertet werden können. Und wir achten seit 10 Jahren auch deutlich darauf, dass sie nicht abnehmen. Sie bekommen hoch kalorische Astronautennahrung, weil wir wissen, das ist einer der sensibelsten Parameter, ob der Verlauf ein positiver oder ein negativer ist. Je stärker die Gewichtsabnahme, umso schlechter ist es für die Gesamtkonstellation. 

 

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Fett ist noch nicht fett genug

In jedem Mukoviszidose-Zentrum gibt es Ernährungs-Experten, die sich nur damit beschäftigen, den Patienten ausreichend Nährstoffe zur Verfügung zu stellen. Natürlich auch in Altona. "Da sind in den letzten zehn  Jahren große Fortschritte erzielt worden", sagt Prof. Stock.

"Wir sind gerade dabei, das weiter aufzubauen,  und auch Eltern mit einzubeziehen. Sie lernen alle Tricks, wie das Essen auch mit noch mehr Sahne und noch mehr Butter lecker schmeckt." Ohne die Eltern mit ins Boot zu holen, ist der Kampf gegen die Krankheit nicht zu schaffen.  

Ebenso entscheidend: der Wert der Physiotherapie. "Früher hat man gesagt: Oh, das Kind ist krank, das soll sich mal schonen. Heute wissen wir: Das Gegenteil ist richtig", so Prof. Stock. "Sie müssen sich trainieren, raus, sich bewegen, aufs Fahrrad, laufen, Treppen steigen, aktiv sein, in Sportgruppen turnen."

 

INTEGRATIVES DENKEN, SO WEIT DAS AUGE REICHT

"Was ich faszinierend finde", sagt der Pneumologe, "ist das Thema der Patientenschulung, das sich auch in der Pädiatrie stark entwickelt hat…dass wir also davon wegkommen, dass nur noch der Arzt der Spezialist ist, dass nur er oder sie weiß, wie es geht."

Stattdessen werden klar strukturierte Schulungsprogramme für die Kinder und die Eltern angeboten – strukturiert, damit die Patienten zum Profi werden für ihre Erkrankung.

"Da sind wir mittendrin in der integrativen Medizin", sagt Prof. Stock, "das ist wirklich messbare Verbesserung. Der, der seine Krankheit besser kennt, der besser geschult ist, hat einen positiveren Verlauf."

Diese Miteinbeziehung von Patienten hat sich nicht nur bei Mukoviszidose bewährt –  es ist ein Trend bei allen chronischen Erkrankungen, den Patienten zum Profi zu machen. "Nur, wer weiß, wann muss ich das tun und wann muss ich jenes nehmen, erlebt auch eine Verbesserung. Und diese ganze Kombination, auch dieser interdisziplinäre, integrative Ansatz hat dazu geführt, dass sich die Lebenserwartung so stark verbessert hat."

Eine Lebenerwartung bis Ende 30: "Das ist ein dramatischer Erfolg und zwar ohne ein Medikament, das die Erkrankung heilt."

 

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