Die Gliederarchitekten

Was ist mit all den Menschen, deren Finger, Hände, Arme Prof. Andreas Eisenschenk mit seiner chirurgischen Kunst nicht retten konnte? Denen er die abgerissene Hand, den abgesägten Arm nicht wieder annähen und mit Gefühl und Beweglichkeit versorgen konnte?

Gibt es auch für sie dennoch einen Weg zurück ins Leben?

Eindeutig ja! Die, die ihn ebnen, arbeiten zwar auch auf dem Klinikgelände des Unfallkankenhauses Berlin, nur wenige hundert Meter entfernt von den Medizinern, aber sie sind keine Ärzte, sondern Techniker: Gliederarchitekten!

35 Männer und Frauen gehören zum Unternehmen EproTec. Jeder von ihnen ein Spezialist für individuelle Sonderanfertigungen in allen Bereichen moderner orthopädie-technischer Versorgung. Mit anderen Worten: Hier werden Prothesen maßgeschneidert und man hat das Gefühl, in einer Kunstwerkstatt zu sein.

Christian Hartz, Geschäftsführer von EproTec: "Wir sind täglich voller Leidenschaft dabei. Denn wir sehen den Erfolg unserer Arbeit... Menschen, die kaum noch an sich geglaubt haben, denen von einer Sekunde auf die andere scheinbar die Zukunft weggerissen worden war und einen entsetzlichen Einschnitt verkraften mußten, können dank ihres Willens und unserer Technik wieder schwimmen, auf Berge klettern, tauchen, laufen, radfahren, Snowboard fahren, Squash, Fußball oder Tennis spielen."

 

INDIVIDUELL & MASSGESCHNEIDERT

6500 Sonderanfertigungen werden Jahr für Jahr von EproTec vorgenommen – das Repertoire reicht von Prothesen für Finger, Hände, Füße über Silikonliner für Armprothesen bis hin zu Körperformteilen für Brandverletzte.

"Wir arbeiten ganz nah am Menschen. Im Notfall können wir sofort und bis in den OP hinein reagieren", sagt Christian Hartz, der nicht nur Kaufmann, sondern auch Orthopädietechniker-Meister ist. Sein Beruf hat ihn schon in Kriegs- und Krisengebiete wie Kambodscha, Vietnam, Bosnien, Kirgisien geführt, wo er überall für betroffene Opfer Prothesen angefertigt hat. In seinem Unternehmen achtet er darauf, dass auch Menschen mit Behinderungen bei ihm arbeiten. "Zehn Prozent sind das normalerweise", sagt Hartz, und verdeutlicht: "Sie haben einfach einen anderen Kanal offen für das, was sie tun."

Zu den Patienten von EproTec gehört auch David K.. Vor gut sechs Jahren hatte er  einen schweren Abeitsunfall. Die Diagnose: traumatische Vorfußamputation rechts. Mithilfe einer Silikonprothese gelang ihm der Weg zurück in den Alltag und ins Berufsleben.

"Anfangs dachte ich nur, mein Fuß ist gebrochen. Erst nach der OP, als ich meinen verbundenen Fuß vor mir sah, habe ich realisiert, was wirklich passiert war." David K. arbeitete 2009 als Maschinen- und Anlagenführer. Der gelernte Industriemechaniker steuerte gerade eine Hebebühne mit Stahlträgern, als sich der Arbeitsunfall ereignete. Plötzlich löste sich der Haken und die Stahlrolle fiel dem damals 23-Jährigen auf den rechten Fuß. "Sieben Leute waren nötig, um mich zu befreien", erzählt er. "So eine Stahlrolle wiegt ungefähr eine Tonne. Wäre ich nur zehn Zentimeter weiter vorn gestanden, wäre mir die Rolle auf den Kopf gefallen.“

Nachdem seine Kollegen ihn befreit hatten, kam er sofort ins Unfallkrankenhaus Berlin (ukb). Die Stahlkappe seines Sicherheitsschuhs hatte sich durch die Zehen gebohrt. Der rechte Vorfuß musste amputiert werden. "Als mir klar wurde, was wirklich passiert war, habe ich ein bisschen aufgegeben", sagt er. "Die ersten Tage waren wirklich hart. Ich habe leidenschaftlich gern Fußball gespielt und wusste, das geht jetzt nicht mehr. Aber nach einer Woche im Krankenhaus habe ich gesehen, dass es anderen Patienten mit Brandverletzungen viel schlechter geht als mir. Da hat es bei mir Klick gemacht. So schlecht geht es dir doch gar nicht, dachte ich. Schließlich ging auch alles schnell vorwärts mit der Versorgung durch Prothesen und der Konakt zu EproTec kam rasch zustande."

Mithilfe seiner Fußprothese kann David K. fast ohne Einschränkungen leben. "Jedes Jahr fahren wir in die Berge zum Wandern und Klettern. Das klappt sehr gut. Wenn ich mit meinem 10-jährigen Sohn um die Wette renne, kann ich nicht mehr so lange wie früher, aber es geht. Meine größte Angst war, dass ich orthopädische Schuhe tragen muss", gesteht der Familienvater. Umso erleichterter war ich, dass ich keine speziellen Schuhe tragen muss. Das Laufen ist manchmal ein bisschen unsymmetrisch, aber wer nicht weiß, dass ich eine Prothese trage, dem fällt es gar nicht weiter auf."

Christian Hartz schüttelt energisch den Kopf. "Nein! Die Produkte, die wir herstellen", sagt er, "sind so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Deshalb ist uns das persönliche Gespräch am Anfang extrem wichtig. Hier besprechen wir mit dem Patienten, was möglich ist, was er sich wünscht. Wir stecken sozusagen gemeinsam den Horizont ab."

Beispiel Beinprothesen - Christian Hartz: "Der Gang des Menschen ist individuell, jede Beinprothese aus unserer Fertigung also auch. Wir verwenden alle hochmodernen Knie- und Fußsysteme unter Berücksichtigung der ganz persönlichen Voraussetzungen und Anforderungen des Prothesenträgers. Gemeinsam mit dem Patienten arbeiten wir daran, ein Ziel zu erreichen: die Wiederherstellung größtmöglicher Bewegungsfreiheit."

Beispiel Handprothesen: "Die Hand erfüllt in unserem Leben die vielfältigsten Funktionen; vom Tasten über das Greifen bis hin zur Gestik hilft sie uns dabei, den Alltag im Griff zu behalten. Daher gilt die Versorgung der oberen Extremität auch als die Königsdisziplin und der Anspruch ist immens. Was immer uns möglich ist, wir tun es - für die buchstäblich neue Handlungsfreiheit der Menschen."

Patienten, die ihr neues Leben unter den Fittichen von EproTec neu begonnen haben, schicken Fotos vom Bergsteigen, Skilaufen, Tauchen oder Joggen. Und nicht selten sieht Christian Hartz die Menschen, die bei ihm Hilfe bekamen, sogar im Fernsehen… wie beispielsweise den Leichtathleten Nick Weihs, der schon intensiv für die Paralympics 2016 in Rio trainiert!

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