„Hier,“ sagt der Professor, „ist die Station der Gewissheit. Die Schaltstelle zwischen High Tech und tiefsten menschlichen Ängsten. Das ärztliche Einfühlungsvermögen ist extrem gefordert.“
Eigentlich hatte ich mich beim Thema Strahlenheilkunde auf eine Flut hochkomplizierter Fremdworte vorbereitet - das Lexikon zur Sicherheit in Reichweite: Computertomographie, Ultraschall, Gammastrahlen, Radionuklide, Hyperthermie... die ganze Palette modernster Strahlentherapie-und Röntgendiagnostik.
Stattdessen spricht Prof. Dr. Roland Felix, Direktor der Strahlenklinik am Virchow, über die verzweifelten Gefühle seiner Patienten, wenn sie ihre Diagnose „Krebs“ erfahren. „Mir wurde nach und nach bewusst,“ sagt der Spezialist, „dass die Wahrheiten, die hier offenbar werden, den Patienten oft wie ein Schlag treffen. Ich fand das Fachgebiet groß, interessant und wichtig. Es wurde mir sehr schnell klar, dass wir nicht Herrscher aller Dinge sind. Der Patient ist oft nichtsahnend. Und was wir ihm manchmal sagen müssen, ist für ihn meiner Erfahrung nach das Furchtbarste aller Erlebnisse.“
Die Frage des Patienten „Wie lange habe ich noch zu leben?“ erfordert eine ebenso sensible wie dringliche Antwort, ebenso wie auf die Frage, welche High-Tech-Therapie die Richtige ist.
Die Strahlenklinik ist einer der Schnittpunkte der Medizin. „Wir haben so eine Art Lotsenfunktion. Zusammen mit den Unfallchirurgen sind wir wie eine Feuerwehrtruppe, die Tag und Nacht zusammensteht.“ Radionuklide, die sich an bestimmte Zellen im verdächtigen Zielgebiet andocken, bringen an den Tag, ob ein Tumor im Körper wächst, ob er eher gut- oder bösartig ist. Oder schon Absiedlungen gebildet hat.
Modernste Computertomographie zerlegen den Menschen in Scheibchen-Bilder. Radioaktive Strahlen werden eingesetzt, um einen Tumor zu verkleinern, damit er operiert werden kann. Oder aber als zusätzliche Maßnahme, weil Operationen oder Chemotherapien allein nicht ausreichen. „Mit 24 fiel bei mir die Entscheidung für die Tumormedizin durch das stete Erkennen der Hilflosigkeit. Ich wollte das nicht akzeptieren, wollte helfen statt sagen zu müssen:‘Wir können nichts mehr tun.‘ Inzwischen haben wir Therapiestandards für fast alle Erkrankungen. Dafür, wie man eine Geschwulst in dem einen oder anderen Stadium behandelt und mit möglichst wenigen Mitteln das Ergebnis erreicht. Hier werden klinische und wissenschaftliche Erfahrungen gebündelt und methodisch aufgewertet.“
DIE ÄUSSERST FEINE GRATWANDERUNG
Die Strahlenheilkunde in der Tumorbehandlung ist eine Gratwanderung, die größte Erfahrung und genaueste Dosierung erfordert. Denn die radioaktiven Strahlen zerstören zwar auf der einen Seite die bösartigen Zellen, können aber auf der anderen Seite die Haut und das Gewebe negativ beeinflussen wie ein extrem schwerer Sonnenbrand. „Die Umgebung der Geschwulst kann besonders verletzlich sein, speziell nach einer Operation.“ Mit dem Patienten Hand in Hand zu arbeiten und ihn als Partner bei der Therapie zu gewinnen, ist von entscheidender Bedeutung. „Die Krebsgeschwulst ist ein Lebewesen. So muss der Patient sie begreifen, der ums Überleben kämpft. Und so versteht er besser, dass seine Handlung, Haltung und Hoffnung gefordert ist. Wir,“ sagt der Professor, „können nur auf bisherigen Erfahrungen aufbauen. Deshalb darf man die Hoffnung nicht aufgeben. Manchmal entwickeln sich Dinge noch aus der Natur oder aus dem Organismus heraus, ganz anders als erwartet. Oder, eine Methode wird entwickelt, die manchmal ein Stück weiterhelfen kann.“
Hyperthermie ist zum Beispiel solch eine Methode. „Es knüpfen sich große Hoffnungen daran, bewiesen ist es noch nicht endgültig.“ Bei der Hyperthermie wird entweder der ganze Körper oder auch nur ein Teil stark aufgeheizt - auf bis zu 42 Grad. Die Temperatur wird eine Stunde lang gehalten. Atmung, Kreislauf und Stoffwechsel laufen auf Hochtouren, das Immunsystem wird stimuliert. „Man hofft auch so die eventuelle Resistenz des Körpers gegen die Chemotherapie zu durchbrechen.“ Es scheint, als würde die Zahl der Rückfälle oder Tochtergeschwülste dadurch vermindert. Ein anderer Durchbruch, der neue Möglichkeiten schuf, ist die Abschmelzung von Lebermetastasen mit Laserstrahlen. Über einen Katheter führt man Lasersonden in das Organ ein und bringt das Gewebe in der Tiefe zum Schmelzen und Absterben. „Am nächsten Morgen sind die Tumormarker runter.“ Der Patient kann nach Hause gehen, manchmal für einen längeren Zeitraum. „Mein Wunschtraum ist, dass man Tumore früh erkennt und gleich vernichtet. Ich werde das nicht mehr erleben, aber wir müssen unseren Teil dazu tun. Das ist eine moralische und ethische Verpflichtung.“
Und an diesen Vorsatz hält sich Prof. Dr. Roland Felix an jedem Tag seines Berufslebens.
Mehr Informationen zu Prof. Dr. Roland Felix und seiner Arbeit hier auf: www.mrt-akademie.de