Priv.-Doz. Dr. med. Kay Friedrichs

Es gibt ihn nicht: den Brustkrebs. Es gibt nur sie: die Frau, die Brustkrebs hat. Jede der 55.000, die pro Jahr in Deutschland neu erkranken, ist einzigartig. Alter, Auslöser, Stadium, persönliche Wünsche und individuelle Lebensumstände: All das spielt eine Rolle bei den maßgeschneiderten Therapien, die Frauen heute zur Verfügung stehen.
Wie viel sich zum Positiven verändert hat, zeigt sich anhand der Zahlen: Die Anzahl der Frauen, die heute geheilt werden können, hat sich gegenüber den siebziger Jahren verdoppelt.

 
FRÜHERKENNUNG BEDEUTET LEBEN

 

Doch es gibt auch Nachrichten, die noch mehr beunruhigen als es die Diagnose "Brustkrebs" ohnehin schon tut: Die Anzahl der jungen Frauen, die erkranken, steigt. Nicht dramatisch, aber kontinuierlich. Frauen zwischen 20 und 30 Jahren machen ca. drei bis vier Prozent der Neuerkrankungen pro Jahr aus. Bei den Dreißig- bis Vierzigjährigen sind es bereits etwa 15 bis 20 Prozent.

Im Mammazentrum am Hamburger Kranken­haus Jerusalem, hat sich ein besonderes Team gefunden. Interdisziplinäre Medizin (alle hoch qualifizierten Experten nutzen diese und profitieren von der Erfahrung der jeweils anderen Kolle­gen) vereint sich mit menschlicher Zuwendung: Einer der fünf ist und bleibt zentraler Ansprechpartner durch alle Schritte und Maßnahmen, die auf eine Patientin mit Brustkrebs zukommen.  

Chemotherapie, Anti­körper, Antihormon- oder Stammzelltherapie: Wir sprachen mit Dr. Kay Friedrichs, leitender Arzt am Mammazentrum im Hamburger Krankenhaus Jerusalem.

 

Warum brauchen wir neue Strategien? Die Möglichkeiten der Chemotherapie sind weitgehend am Anschlag. Aber es gibt sehr interessante Studien zu neuen Antikörpern, die man in einem Molekül mit der Chemo­therapie verbinden kann.

Was erhofft man sich von den aktuellen Studien? Man will den bestmöglichen Standard erreichen mit Medikamenten, die bisher noch nicht verwendet wurden.

Welchen Vorteil hat das?

Die Antikörper zum Beispiel erkennen die Tumorzelle an bestimmten Merkmalen und greifen sie gezielt an. Sie sind wie Marschflugkörper, die ihre Bombenlast, also die Chemotherapeutika, gezielt fallen lassen. So werden weniger gesunde Zellen zerstört.

Wird es irgendwann eine Impfung gegen Krebs geben?

Da gibt es tatsächlich eine spannende Impfstudie: eine unspezifische Immunstimulation, die Tumorzellen nachhaltig schädigen soll. Aber das dauert noch eine Weile.

Worauf können Frauen aktuell zählen? Die Antikörpertherapien bewähren sich bereits hinsichtlich der Lebensverlängerung, auch bei fortgeschrittenem Brustkrebs. Zwei davon sind bei Frauen wirksam, bei denen der Wachstumsfaktor HER2/neu im Blut nachgewiesen werden kann. Der Dritte (Bevazizumab) blockiert die Gefäßneubildung und schneidet den Tumor damit von der Blutversorgung ab. So wird er gewissermaßen ausgehungert. In Kombination mit einem Chemotherapeutikum ist der Antikörper in 45 Prozent der fortgeschrittenen Fälle wirksam.

Was tun Frauen, deren Tumor östrogenabhängig wächst?

Es laufen gerade vielversprechende Studien mit Substanzen zur Förderung der Knochenwiederherstellung und auch zu ihrem vorsorglichen Schutz.  Sie werden ja deshalb angegriffen, weil durch die Antihormontherapie die für den Knochen wichtige Östrogenproduktion blockiert wird. Man unterbindet sie, um dem Tumor keine Wachstumsimpulse zu geben. 

Haben die neuen Substanzen ähnliche Nebeneffekte wie die Chemotherapie?

Nein, aber sie haben andere, die nicht so schnell spürbar sind, erst nach längerer Anwendung, wie z. B. Bluthochdruck, Magen-Darm-Probleme oder auch Auswirkungen am Herzmuskel. Man muss Nutzen und Schaden sehr genau im Hinblick auf die Lebensverlängerung abwägen.

Im Fokus stehen Brustkrebs-Stammzellen als größte Gefahr – Zellen, die sich während einer Chemotherapie verbergen und dann umso aggressiver angreifen. Wird es ein Medikament gegen sie geben?

Diese Stammzellen sind außerordentlich resistent, Chemo und Strahlen können ihnen nichts anhaben, weil sie sich nur sehr langsam teilen, im Gewebe schlummern und dann nach Jahren wieder auf­tauchen. Tests laufen.  Wenn man sie tatsächlich ausschalten könnte, wäre das ein Durchbruch. Aber es gibt Tausende von Substanzen, die haben Mäuse geheilt – aber noch keinen einzigen Menschen.

Was Naturheilkunde zusätzlich bewirkt

Verschiedene Verfahren der Naturheilkunde stellen eine wichtige Ergänzung zur klassischen Krebstherapie dar. 60 bis 70 Prozent der Patientinnen machen bereits von denjenigen Methoden Gebrauch, die sich in einer ganzheitlichen (komplementären) Krebs­therapie bewährt haben:

∞ Misteltherapie zur Stärkung des Immunsystems und zur Unterstützung der Regeneration
∞ Akupunktur zur Linderung der Nebenwirkungen einer Chemotherapie und zur Steigerung der Energie
∞ Zink, Selen und Enzyme zur Verbesserung des Stoffwechsels und der Immunabwehr während der Chemo
∞ Tees, um Giftstoffe der  Chemotherapie aus­zu­schwemmen 
∞ Homöopathie zur Ausleitung von Giftstoffen, zur Linderung von Nebenwirkungen der Medikamente und zur Stärkung der körpereigenen Konstitution 
∞ Psychoonkologie zur Stressbewältigung.

Wie viel Vorsorge macht Sinn?

Regelmäßige Vorsorge und damit die frühzeitige Erkennung von Brustkrebs verbessern die Heilungschancen. Dazu gehören:
Abtasten der Brust und Achsel­höhle auf Knoten (alle drei Monate in der Woche nach der Regel)
Ultraschall 1 x im Jahr ab 30 Jahren
Ab 40: Mammographie alle zwei Jahre 
Ab 50: Mammographie alle ein bis zwei Jahre 
Bei familiärer Vorbelastung (Brustkrebs bei Mutter, Großmutter oder Tante) jährliche Vorsorge ab 20 Jahren (bei Verdacht mit Mammographie und Blutuntersuchung).
Wenn Sie zwischen 50 und 69 Jahren alt sind, könen Sie alle zwei Jahre die von qualifizierten Experten durch­geführten Screening-Angebote in Ihrer Region nutzen! Die Teilnahme ist freiwillig und für Kassenpatientinnen kostenlos, bei Privatpatientinnen können Gebühren anfallen.
Infos: www.mammo-programm.de

Buchtipp

Der  Ratgeber BRUSTKREBS informiert umfassend über Diagnostik und Therapie der klassischen Schulmedizin, von der Chemotherapie über die Operation bis hin zur Antihormontherapie. Auch die alternativen Therapien werden beleuchtet, welche die gängigen schulmedizinischen Maßnahmen begleiten, wie z. B. Misteltherapie, Homöopathie, aber auch Ernährung und Sport. Dr. Kay Friedrichs, Miriam Wessels und Heike Oellerich beschreiben einen ganzheitlichen Ansatz, der die persönlichen Bedürfnisse berücksichtigt und zur Selbstorientierung in dieser schweren Zeit beiträgt. GU, 16,99 Euro (auch als eBook, 13,99 Euro)

 

 

Priv.-Doz. Dr. Kay Friedrichs ist seit 2002 medizinischer Leiter des Mammazentrums am Hamburger Jerusalem Krankenhaus.  

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