Die Medikamente

"Wenn Patienten verstehen, dass wir immer da sind, dass sie immer versorgt werden, dann ist alles klar." Mit diesem Konzept bekämpft der ambulante Palliativ-Stützpunkt im Ammerland die größte Angst sterbender Menschen: dass sie Schmerzen haben werden, die niemand lindern kann; dass Übelkeit, Atemnot oder Blutungen kommen könnten, die niemand zu stillen weiß, wenn sie zu Hause gepflegt werden. Diese Furcht ist der Hauptgrund, warum Patienten in die Klinik gehen, obwohl sie viel lieber bei ihrer Familie zu Hause wären.

 

WAS HEUTE MÖGLICH IST

 

Wenn Patienten oder die Familie bei Dr. Kreft anrufen, um beim Doktor Rat einzuholen, dann ruft er nach einer halben Stunde noch einmal zurück, um nachzufragen, ob die von ihm empfohlene Maßnahme auch die gewünschte Wirkung erzielt hat. "Allein das macht einen riesigen Unterschied", sagt er. "Es gibt uns allen Sicherheit." 

Wir sind auf dem Weg zu einer Patientin, die von ihrem Partner in seiner Wohnung gepflegt wird und die – wie über 90 Prozent der Palliativpatienten – an einer metastasierende Krebserkrankung leidet. Wie alle anderen auch, ist sie nicht nur mit ihren Medikamenten, sondern auch mit einem Schmerzbarometer ausgestattet, in dem sie für sich und alle anderen sichtbar machen kann, wo genau sie mit ihrem Schmerzempfinden aktuell steht. So lassen sich eventuell Dosierungen besser anpassen, Maßnahmen zu bestimmten Zeitpunkten ergänzen.

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Es bedurfte intensivster Schulungen – 2 x 40 Stunden verteilt auf Wochenendlehrgänge, damit die Stoffmenge überhaupt für die Ärzte des Netzwerkes aufnehmbar ist. Gemeinsam mit der Neurologin und Chefärztin für Geriatrie am Klinikum Leer, Prof. Dr. med Sylvia Kotterba, entwickelte und lehrt Matthias Kreft den Kurs "Palliativmedizin", der auch Module zur Medikation enthält. Verständige Hospizarbeiter, Apotheker, top geschultes Pflegepersonal und und einfühlsame Sterbebegleiter: Sie alle tragen dazu bei, um die Angst und den Schmerz der Patienten zu lindern.

In jedem Haushalt eines Sterbenden steht eine Notfall-Box mit Injektionen, zu der die immer erreichbaren Helfer – 12 Ärzte plus Pflegepersonal – einen Schlüssel haben. Angehörige werden genauestens informiert, damit sie nicht von möglichen Situationen überwältigt werden. Und der Patient selbst weiß, dass er oder sie beschützt ist von einem achtsamen und täglich kontrolliertem Schmerzmanagement und einem der diensthabenden, speziell geschulten Ärzte, der jederzeit gerufen werden kann. Jeder weiß, was er oder sie in diesem ambulanten Palliativ-Care-Team zu tun hat.

UMSORGT SEIN OHNE LÜCKE

 

Eine 365-Tage-im Jahr Rund-um-die-Uhr-Betreuung sterbenskranker Menschen ist ein nahezu unvorstellbares Konzept, das dennoch hier selbstverständliche Realität geworden ist.  

Dazu gehört, dass Patienten einen gleichmäßigen Spiegel an schmerzlindernden Morphinen erreichen, statt in Auf- und Ab-Zacken immer wieder in Schmerzzustände zu geraten: "Sie sind die einzige Droge, die keine Organschäden verursacht." Zu viele Opiate verursachen winzige, stecknadelkopfkleine Pupillen, zu wenig zu große.

Pflaster sind nicht geeignet, "weil sich die Haut von Tumorpatienten in diesem Stadium verändert und nicht wirklich kontrollierbar ist, wieviel Wirkstoff jemand tatsächlich aufnimmt."

Kleine, subkutane (unter die Haut gehende) Kanülen garantieren nicht nur einen gleichmäßigen Pegel; sie bewahren Patienten auch vor dem Schlucken großer Tabletten. 

 

Das so gefürchtete Atemrasseln kann mit Wirkstoffen gelindert werden, die eigentlich gar nicht für diese Indikation konzpiert wurden, sondern stattdessen zur Krampflösung: sogenannte Butylscopolaminbromide.

Schlaf- und Beruhigungsmittel, Schmerztropfen, Arzneien gegen Übelkeit sind immer greifbar, können bei Unruhe oder Schmerzspitzen als Zusatzmedikation leicht und individuell dosiert werden.

 

Im Hintegrund laufen regelmäßige Palliativkonferenzen mit erfahrenen Medizinern, in denen jeder Fall immer wieder besprochen wird und in denen jedem die Erfahrungen von allen anderen zugute kommen, zusätzlich gestützt durch das Wissen der Deutschen Gesellschaft für Palliativemedizin (DGP) unter der Leitung von Prof. Dr. Friedmann Nauck.

 

Wird ambulanter Palliativ-Care in ganz Deutschland Schule machen? "Das kann man nur hoffen", sagt Kreft. "Wir werden vom Land Niedersachsen unterstützt und haben die Krankenkassen hinter uns. Aber bisher ist es ein Pilotprojekt."

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