"Der Kampf der Medizin gegen den Darmkrebs stimuliert auch die Industrie, die diagnostischen Hilfen zu verbessern. Mittlerweile bieten alle Endoskophersteller Instrumente an, die wesentlich besser sind als ihre Vorgänger", sagt Prof. Dr. Friedrich Hagenmüller, Gastroenterologe und Ärztlicher Direktor an der Asklepios Klinik in Hamburg-Altona. Er hat nach eigener Aussage so viele Darmspiegelungen gemacht, dass es in etwa der Einwohnerzahl einer Kleinstadt entspricht.
WAS IST EINE DICKDARMSPIEGELUNG?
Die Dickdarmspiegelung (Koloskopie) ist eine Untersuchung des Dickdarms (Kolon) mit einem Spezialendoskop. Dieses sogenannte Koloskop ist ein flexibler Schlauch mit einer Optik (Lichtquelle und Kamera), der über den After in den Darm geschoben wird. Der Arzt kann damit das Innere des Dickdarms betrachten, bei Bedarf Gewebeproben entnehmen (Biopsie) oder kleinere operative Eingriffe durchführen.
Das Koloskop ist ein biegsames Endoskop – ein Gerät also mit einer kleinen Kamera, die am Ende eines Schlauchs angebracht ist. Der Schlauch hat etwa die Dicke eines kleinen Fingers (10 bis 15 Millimeter) und eine Länge von anderthalb Metern. Prof. Hagenmüller: „Die neue Generation der Endoskope ist so gut, dass wir bei so mancher Spiegelung der Verdauungsorgane auf Gewebeproben für die Histologie verzichten können, weil wir eine so exzellente optische Auflösung haben, dass wir fast in mikroskopische Bereiche vordringen. Und damit sind wir dem Pathologen gegenüber mit unserem Endoskop ebenbürtig – wenn nicht sogar besser und genauer.“
Hagenmüller nennt einen weiteren Vorteil: Eine Gewebeprobe, die entnommen und zum Pathologen gebracht wird, wird im Institut in Formalin (als 4–8%ige Formaldehydlösung wird es als gängiges Fixierungsmittel in der Histotechnik eingesetzt) gegeben – ist also totes Gewebe. Der Professor: „Wir betrachten im Unterschied dazu während der Untersuchung lebendes Gewebe, und in diesem Lebendzustand liegen Informationen, die der Pathologe gar nicht haben kann. Hinzu kommt, dass ich als untersuchender Arzt den Patienten kenne, sein Umfeld, die Vorgeschichte, die Art, wie er mir seine Beschwerden geschildert hat. Das sind ebenfalls Informationen, die der Pathologe nicht hat, mit denen ich aber eine Menge anfangen kann." Dadurch entsteht ein Gesamtbild des Patienten und seiner Erkrankung, das es in dieser Form bisher nicht gab. "Bisher war die Histologie immer so eine Art Oberschiedsrichter, der Pathologe hatte den sogenannten Nimbus der letzten Instanz. Es ist Zeit, darüber nachzudenken, ob die Pathologie damit nicht überfordert ist."
30 Tonnen Nahrung und mehr als 50.000 Liter Flüssigkeit verarbeitet der Darm im Laufe unseres Daseins. In seinem raffiniert entwickelten Netzwerk stecken mehr als 70 Prozent aller Abwehrzellen – somit ist er auch im Kampf gegen krankmachende Bakterien und Viren die Quelle unseres Wohlbefindens.
Nicht nur, dass die neuen Endoskope das Gewebe exakter betrachten können und Gewebelappen bis zu einem Durchmesser von zehn Zentimeter entfernen können. Der Blickwinkel eines Endoskops hat sich ebenfalls verbessert. Prof. Hagenmüller: "Wir können damit nicht nur nach vorn und zur Seite gucken, sondern auch gleichzeitig nach hinten. Das muss man sich vorstellen, als säße man im Auto und hätte den Blick nach vorn und über den Rückspiegel den Blick nach hinten frei. Die Bilder, die ich im Darm aufnehme, betrachte ich auf drei Bildschirmen. Selbst Läsionen, die sich hinter Darmfalten sonst verstecken konnten, werden ans Tageslicht befördert. Wir sehen heute Dinge im Darm, die uns noch vor fünf Jahren verborgen waren."
Auf dem Weg zur sanften Koloskopie-Alternative ist die Kolonkapsel (eine aktuelle Studie erschien kürzlich in der Fachzeitschrift "Endoskopie heute") ein wichtiger Fortschritt. Diese kleine Videokapsel – 31 Millimeter lang und 11 Millimeter breit – kann man wie ein herkömmliches Medikament oral einnehmen. Die Kolonkapsel-Endoskopie kommt ohne instrumentelle Untersuchung aus. Dennoch kann der Arzt Darmkrebs und Darmkrebsvorstufen mit einer vergleichbaren Genauigkeit wie bei der Darmspiegelung entdecken. Denn mit der Videokapsel schluckt der Patient eine kleine Kamera, die vier Bilder der Dickdarmschleimhaut pro Sekunde direkt an ein Aufzeichnungsgerät überträgt. So können auch krankhafte Gewebestrukturen gut sichtbar gemacht werden.
VOR- UND NACHTEILE DER VIDEOKAPSEL
Der Experte: "Ich habe die Kolonkapsel selbst getestet. Die Untersuchung ist komplett schmerzlos. Allerdings hat sie noch Nachteile: Der Darm muss noch sauberer sein als vor einer herkömmlichen Darmspiegelung – und es gibt natürlich nicht die Möglichkeit, im Falle eines Falles sofort eine Biopsie vorzunehmen.“ Dennoch ist Hagenmüller optimistisch: „Bald werden die Menschen sich am Freitagabend aus der Apotheke eine Kapsel und ein Aufnahmegerät holen, diese Kapsel schlucken... und am Montagmorgen wegen der Auswertung der Daten zum Arzt kommen.“ Auch die Weiterentwicklung der Dünndarmkapsel, die wie ein Mini-U-Boot durch den etwa fünf Meter langen Dünndarm gleitet, hat bisher nur Vorteile gebracht. Sie wird zur weiteren Abklärung von Blutungen aus dem Darm eingesetzt, nachdem eine Magenspiegelung oder eine Darmspiegelung durchgeführt wurde und eine Blutungsursache nicht gefunden werden konnte. Prof. Hagenmüller: „Dadurch ist die Industrie animiert worden, spezielle Dünndarmendoskope zu entwickeln, mit denen wir Krankheitsherde auf sehr engem Raum behandeln können, weil ein kleiner Ballon am Endoskop den Dünndarm aufbläst.“